Archiv-FAQs –
Fragen und Antworten rund um Archiv-Organisation
Was ist ein Archiv?
Im Zuge der Aufgabenerfüllung entstehen in der öffentlichen Verwaltung analoge und digitale Unterlagen, die aus Rechtsgründen für einen bestimmten Zeitraum (Aufbewahrungsfrist) in der zuständigen Registratur aufbewahrt werden müssen Mit Ablauf der Aufbewahrungsfrist dürfen die Unterlagen jedoch i.d.R. nicht ohne Zustimmung des Archivs vernichtet werden. Vielmehr entscheidet das Archiv in einem Aussonderungsverfahren nach verschiedenen Kriterien (rechtlich, wissenschaftlich, heimatkundlich u.ä.) über die Vernichtung oder die dauernde Aufbewahrung. Mit der Übernahme der "archivwürdigen" Unterlagen gehen die Dokumente in die Verfügung des Archivs über, wo sie aufbewahrt und als historische Quellen im Rahmen der Gesetze für Forschungsfragen zur Verfügung gestellt werden.Viele Archive betreiben zusätzlich auch selbst historische Bildungsarbeit (Veröffentlichungen, Vorträge, Ausstellungen, Seminare).
Was ist eine Registratur?
Eine Registratur – oft fälschlich als "Archiv" bezeichnet – ist diejenige Verwaltungseinrichtung, die die im Wege von Verwaltungsverfahren entstandenen analogen oder auch digitalen Unterlagen zu organisieren und für die Dauer der Aufbewahrungsfrist für Verwaltungszwecke oder zur öffentlichen Einsicht im Rahmen von Informationszugangsgesetzen zugänglich zu halten hat.
Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist hat die Registratur die Unterlagen im Wege des Aussonderungsverfahrens dem zuständigen Archiv zur Übernahme anzubieten.
Welche Registraturformen gibt es?
In Kommunalverwaltungen existieren je nach Größe und Organisation der Verwaltung – oft nebeneinander – unterschiedliche Registraturformen: Zentralregistratur, (zentrale) Referats- oder Dezernatsregistraturen, (zentrale) Amtsregistraturen, Abteilungsregistraturen oder Sachbearbeiterablagen. Im Rahmen der Schriftgutverwaltung sollten konkrete Anweisungen bestehen, wie die Registraturen Unterlagen zu organisieren und aufzubewahren haben, z. B. nach einem Aktenplan (s. auch Aktenzeichen, Geschäftszeichen).
In einer "Aktenordnung" oder "Registraturrichtlinie" gibt die Verwaltung vor, wie die Schriftgutverwaltung in der Gemeinde wahrzunehmen ist.
Was ist die "Aufbewahrungsfrist" und wie lange ist sie wirksam?
Die Aufbewahrungsfrist schreibt der Verwaltung vor, wie lange Verwaltungsunterlagen in einer Registratur uneingeschränkt, unverändert und vollständig zur Verfügung gehalten werden müssen. Weit verbreitet ist die irrtümliche Auffassung, dass Verwaltungsunterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist durch die Registratur oder den Sachbearbeiter vernichtet werden dürfen. Vielmehr ist die Registratur verpflichtet, mit dem Ablauf der Aufbewahrungsfrist das Aussonderungsverfahren auszulösen.
Die Aufbewahrungsfrist (Personenstandswesen: Fortführungsfrist) ist entweder durch Gesetz, durch Verordnung bzw. Satzung (“Fristenkatalog”) oder durch Gewohnheit festgelegt. Ihre Dauer kann zwischen 0 (z.B. “Weglegesachen”) und bis zu 50 Jahren betragen, je nach Dauer des Bedarfs an den abgeschlossenen ("zu den Akten geschriebenen"; zdA) Unterlagen durch die laufende Verwaltung.
Eine Besonderheit stellt die “dauernde Aufbewahrung” dar, die allerdings nicht von der Registratur, sondern vom Archiv wahrgenommen werden sollte.
Fortführungsfrist s. Aufbewahrungsfrist
Was ist das "Aussonderungsverfahren"?
Mit Ablauf der Aufbewahrungsfrist müssen die betroffenen Unterlagen – aufgelistet in einem Aussonderungsverzeichnis – durch die Registratur dem zuständigen Archiv zur Bewertung angeboten werden. Das Archiv kennzeichnet diejenigen Unterlagen, die auf Dauer in das Archiv übernommen werden, und gibt die als “nicht archivwürdig” eingestuften Unterlagen zur Vernichtung frei.
Welche Aufgabe hat ein Aktenplan?
Aktenpläne stellen die Grundlage der analogen und digitalen Aktenführung dar. In einem drei- oder vierstufigen hierarchischen Aufbau werden entsprechend den Aufgaben der Organisation inhaltlich zusammengehörige Einzeldokumente zunächst auf der untersten Stufe mit einem Aktenzeichen (und evtl. einer oder mehreren Ableitungen) versehen und zu einem Vorgang zusammengefasst, aus mehreren verwandten Vorgängen wird schließlich eine Akte (oft mit mehreren Bänden) gebildet.
Aktenpläne können als Einheitsaktenplan (für mehrere Einrichtungen gleicher Zuständigkeit), als Gesamtaktenplan (für eine geschlossene Einrichtung) oder als Teilaktenplan (für einen Teil einer geschlossenen Einrichtung) eingesetzt werden.
Wozu benötigt eine moderne Verwaltung einen Aktenplan?
Ein Aktenplan stellt die vollständige, übersichtliche, nachvollziehbare und wirtschaftliche Ordnung des in einer Verwaltung entstehenden analogen oder digitalen vorgangbezogenen(!) Schriftgutes dar. Zu dessen befristeter Aufbewahrung sind öffentliche Verwaltungen verpflichtet; nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist ist es dem zuständigen Archiv zur Bewertung anzubieten.
Die systematische Zuordnung der aus Dokumenten und Vorgängen gebildeten Akten erfolgt durch entsprechende Aktenzeichen, evtl. in Verbindung mit Ableitungen. Bei Einbeziehung der handelnden Organisationseinheit entstehen Geschäftszeichen, bestehend aus Aktenzeichen und Organisationskennzeichen.
Auch einzelne digitale Dokumente müssen zu Vorgängen und Akten verbunden werden, was zweckmäßigerweise durch ein Aktenzeichen geschieht.
Aktenzeichen
Das Aktenzeichen setzt sich zusammen aus dem Kennzeichen des Aktenplans, das um ein Ableitungskennzeichen ergänzt sein kann, der Ordnungsnummer der Einzelsachakte und ggf. dem Kennzeichen der Sondersachakte.
(§ 11 Abs. 2 Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut (Akten und Dokumenten) in Bundesministerien (RegR)
Geschäftszeichen
Das Geschäftszeichen besteht aus dem Kurzzeichen der zuständigen Organisationseinheit, dem Aktenzeichen und ggf. einem Vorgangs- und Dokumentenkennzeichen.
Das Geschäftszeichen ist möglichst einheitlich und deutlich auf dem Dokument anzugeben. Zwischen der Kurzbezeichnung der Organisationseinheit und dem Aktenzeichen ist ein Trennstrich einzufügen.
Beispiele: O I 2 - 123156/12
304 - 1154–2/4
(§ 11 Abs. 1 Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut (Akten und Dokumenten) in Bundesministerien (RegR)
Datenschutz
Mit dem “Volkszählungsurteil” des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 bestand für die Archive das Problem, dass die dort formulierten Prinzipien des “Datenschutzes” nach dem damals vorhandenen Rechtsstand eine Archivierung von Verwaltungsdaten nicht gestatteten. Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten sind nur solange und soweit zulässig, wie sie zur Erfüllung des Zwecks der Datenerhebung benötigt werden, eine Einschränkung ist nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig. In der Folge entstanden die Archivgesetze des Bundes und der Länder, die es gestatteten, Verwaltungsdaten den zuständigen Archiven zu überlassen; damit verbunden waren Sperrfristen, die den Archiven die Vorlage und Benutzung der Daten erst nach Ablauf bestimmter Fristen gestatteten.
Obwohl die Archivgesetze der Bundesländer in Details stark voneinander abwichen, wurde doch in der Regel auch die Überlassung von Daten aus kommunalen Verwaltungen an kommunale Archive eingeschlossen, so dass die zur Weitergabe von Daten erforderliche Legitimation gegeben ist. Näheres wird dann in kommunalen Archivsatzungen und Dienstvorschriften geregelt.
Müssen nicht Unterlagen, die nicht mehr für die laufende Verwaltung benötigt werden, aus rechtlichen Gründen (Datenschutz) vernichtet werden?
Im Prinzip ist dies richtig. Allerdings sehen die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften Ausnahmen dann vor, wenn aufgrund eines Gesetzes die Erhaltung, Weitergabe und weitere Nutzung erlaubt werden, wie dies durch die Archivgesetze geschieht. Archivische Bewertungsentscheidungen sind daher auch immer ein Teil Datenschutz.
Schutzwürdige Belange des Einzelnen werden durch ausgedehnte Sperrfristen (meist 10–30 Jahre nach dem Tod) berücksichtigt, in bestimmten Fällen (z.B. bei wissenschaftlicher Forschung) können Schutzfristen verkürzt, in Ausnahmefällen auch verlängert werden.
Verfügen Archive ausschließlich über Verwaltungsunterlagen?
Die meisten kommunalen Archive verfügen – neben oft Jahrhunderte alten Unterlagen aus Verwaltungsverfahren der jeweiligen Gemeinde – auch über nichtamtliche Unterlagen (Nachlässe, Vereinsarchive, Zunftarchive, Firmenarchive u.ä.) und über “Archivische Sammlungen” (Zeitgeschichtliche Dokumentation, Zeitungen, Plakate, Fotos, Filme ), ebenso über eine Dienstbibliothek oder sie betreiben eine Ortschronik; alle diese nichtamtlichen Bestände haben allerdings einen engen inhaltlichen Bezug zur entsprechenden Kommune.
Sind Archive nur für analoge Unterlagen zuständig?
Archive der öffentlichen Verwaltung sind – nach entsprechender Bewertung – für die Aufbewahrung sämtlicher Überlieferungsformen von Verwaltungsverfahren (Urkunden, Akten, Pläne, Fotos, Modelle, Dateien usw.) zuständig.Die Archivierung der Originale geschieht primär in ihrer ursprünglichen Entstehungsform.
Während die Erhaltung von analogen Überlieferungsformen archivische Routine ist, müssen für die Erhaltung und Nutzung digitaler Unterlagen (Fachverfahren, Datenbanken, Geo-Informationssysteme, Dokumenten-Management-Systeme) oft erst aufwendige und kostenintensive Mechanismen entwickelt werden.
Warum kümmern sich Archive überhaupt um die vorarchivische Schriftgutverwaltung?
Eigentlich ist das Eingreifen der Archivare in das Registraturwesen tatsächlich nicht die originäre Aufgabe der Archive, deren Zuständigkeit ja erst mit dem Aussonderungsverfahren (nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist) beginnt. Viele Kommunalverwaltungen haben aber in den vergangenen Jahrzehnten ihre Haupt- und Organisationsämter ausgehöhlt, und auch in der (Beamten- und Angestellten-)Ausbildung werden die Erfordernisse der Schriftgutverwaltung (“Records Management”) nicht mehr vermittelt. Somit ist in vielen Kommunalverwaltungen die Schriftgutverwaltung dem Belieben der dafür nicht ausgebildeten Sachbearbeiter überlassen mit meist negativen Folgen hinsichtlich systematischer Ordnung und Vollständigkeit. Die Archive sind aufgrund ihrer Erfahrungen in Verwaltungsverfahren daher oft die einzigen sachkundigen Einrichtung im Bereich der vorarchivischen Schriftgutverwaltung.
Nichtamtliches Archivgut
Da kommunale Verwaltungen nur für einen Teil der lokalen Lebenswelten Zuständigkeiten besitzen, finden viele historisch bedeutsame Vorgänge keinen Niederschlag in den Verwaltungsunterlagen. Um diese Quellendefizite wenigstens teilweise zu beheben, übernehmen die meisten Archive (auch Bibliotheken und Museen) wichtige Nachlässe und Firmen- oder Vereinsarchive in ihrem Zuständigkeitsbereich.
Archivische Sammlungen
Mit der gleichen Ausgangslage und Zielsetzung wie bei der Archivierung von nichtamtlichem Archivgut bilden viele Archive "Archivische Sammlungen", in denen sie außerhalb der Verwaltung entstandene, jedoch lokal relevante Quellenformen (Plakate, Zeitungsausschnitte, Fotos, Postkarten, Filme, Druckschriften usw.) zusammenfassen.
FAQ-Themen in Vorbereitung:
- Benutzung von Archiven
- Archivgut/Archivalien
- Historische Bildungsarbeit
- Bewertung